Das Geheimnis der Versöhnung ist Erinnerung

Pastor Wolfgang Miether

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von Pastor Wolfgang Miether, Vicelin-Kirchengemeinde Neumünster


Achtung! Ich lobe Deutschland. Es gibt einiges, was unser Land relativ gut kann, dazu gehört das Erinnern. Es gibt unzählige Heimatvereine und Heimatmuseen, es gibt Orte, an denen wir uns an die dunklen Seiten unserer Geschichte erinnern können: ehemalige Konzentrationslager, Stolpersteine, das Denkmal für die ermordeten Juden Europas mitten in Berlin. Keine angenehmen, aber notwendige Orte.
Wie nötig das ist, nicht zu vergessen, immer wieder von dem zu sprechen, was schon so lange zurückliegt, das ist uns zuletzt wieder bewusstgeworden. Wir können unser Verhältnis zum Staat Israel, zum jüdischen Volk und zu unseren jüdischen Nachbarinnen und Kollegen nicht ohne die Erinnerung an den Antisemitismus gestalten. Dazu müssen wir wissen, was in den bösen Jahren des Nationalsozialismus geschehen ist. Und diese Geschichte ist nicht mehr so bekannt, wie sie sein muss.
Menschen verdrängen gern unangenehme Erinnerungen, weil sie nicht wissen, wie sie mit ihrer Schuld und mit ihren Schmerzen umgehen können. Sie meiden Gespräche mit denen, die sie verletzt haben. Das kennen wir alle, und viele werden auch die ganz andere Erfahrung kennen: Es tut gut, über alte Wunden und Schuld zu sprechen.
Auch dazu kann uns unser Glaube helfen. Christen sind nicht besser als andere Menschen, sie machen Fehler und werden schuldig. Aber sie wissen etwas von Vergebung, genauer: Sie sollten etwas von Vergebung wissen. Echte Vergebung ist nicht einfach, aber es ist kostbar und heilsam, wenn Menschen sich von Verletzungen und Schuld erzählen und miteinander neu beginnen.
Und umgekehrt: Wer Schuld nicht zugeben kann, wird einsam. Ohne das aufrichtige Bekennen deutscher Schuld stände unser Land sehr allein in der Welt. Auch daran erinnern wir uns an diesem Wochenende.