Familiensache
von Pastorin Britta Timmermann, Klinikseelsorge am UKSH Kiel
Im Klinikum lerne ich oft Menschen kennen, die unter Familienstreitigkeiten leiden: Keinen Besuch bekommen, weil zu viel Ausgesprochenes oder Unausgesprochenes zwischen den Parteien steht. Nicht sterben können, weil eigene Schuld oder Versäumnisse zu schwer wiegen. Oder voreinander sitzen, aber sich nichts zu sagen haben.
Manchmal steckt mehr dahinter als ein Streit: Misshandlung oder Missbrauch in der Familie, körperliche oder seelische Gewalt. Der Vorwurf “Aber wir sind doch eine Familie” wird dann zum toxischen Stillhalte- und Schweigegebot, das das Opfer in seiner Rolle festhalten will, oft genug um des “lieben” Friedens willen. Gut gemeinte Ratschläge (“aber es sind doch deine Eltern”) machen es eher noch schlimmer.
Ich finde einen Gedanken Jesu befreiend, in dem er zwischen Bluts- und wahren Verwandten unterscheidet: Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter (Mk 3,35).
Viele von uns müssen irgendwann entscheiden: Habe ich noch Vertrauen in die andere Person? Kann neues Vertrauen entstehen?
Oder sitzen Verletzungen zu tief, und ist so viel in mir zerbrochen, dass unsere Wege sich trennen müssen?
Lohnt es, noch einmal Kraft aufzuwenden und aufeinander zuzugehen? Habe ich noch einen Rest Hoffnung auf Versöhnung? Oder ist alle Zuversicht dahin? Fühlt Familie sich eher nach Heimat und Geborgenheit an oder eher nach Abhängigkeit und Gefangensein?
Antworten darauf brauchen Zeit. Arbeit, Gespräche, vielleicht Sport. Vielleicht auch Nichtstun. Genaues Hinfühlen, lieber einmal mehr. Und Mut - so oder so.