Getanzter Trost

Pastorin Regina Nitz

© Jürgen Schindler

von Pastorin Regina Nitz, Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde Kiel


„Rück, rück, Wie-ge-schritt – vor, seit, ran!“ Ich liebe ihn, den Tango! Mit wilder Leidenschaft und Rose-quer-im-Mund hat mein Grundschritt-Geschucker wenig zu tun. Eher erinnert es daran, wie im tangoverrückten Finnland Leute kurz mal ihre Einkaufstüten abstellen und ein Tänzchen drehen, wenn jemand auf seiner alten Quetschkommode am Straßenrand spielt: Rück, rück, Wie-ge-schritt….

Tango ist nicht nur „ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann“, wie der Dichter Enrique Santos Discepolo schrieb, sondern Tango ist – für mich – getanzter Trost.

Die Musik entstand, als Menschen wirklich Trost brauchten: Hoffnungsvolle aus aller Welt folgten Ende des 19. Jahrhunderts dem Ruf der argentinischen Regierung, gemeinsam einen großen Wirtschaftsaufschwung zu stemmen. Arme Teufel aus Italien, Spanien, dem östlichen Europa und Afrika kamen, gaben oft ihr letztes Geld für die Überfahrt – und strandeten. Es gab keine Arbeit und keinen Aufschwung, keine Aussicht auf Zukunft und Familie. Stattdessen Hunger, Not, Heimweh.

Viele wurden depressiv und tranken. Und viele musizierten gemeinsam. Ihre unterschiedlichen Traditionen flossen zusammen und formten den Tango aus Sehnsucht und Erinnerung. Sogar Prostituierte wurden für Tanzabende bezahlt. Ein Spiel mit Nähe und Distanz, geteilte Einsamkeit. Rück, rück, Wie-ge-schritt ….

Das alles birgt diese Musik bis heute: Und die Frage nach Sehnsucht und Trost ist nicht nur eine zutiefst menschliche, sondern auch sehr christliche! Dem Tango und vielleicht seinem Trost können Sie deshalb morgen im Gottesdienst begegnen: Sonntag, 8.10., um 11 Uhr in der Kieler Paul-Gerhardt-Kirche in Dietrichsdorf. Herzlich willkommen!