Ist Gott auch immer Ihrer Meinung?

© Stefanie Rasmussen-Brodersen

von Pastor Andreas Lux, Kirchengemeinde Flemhude


Dann sollten Sie misstrauisch werden. Zur Tagespolitik, zur Einwanderungspolitik oder zu Klimafragen: Wenn Gott in diesen Fragen dieselben Ansichten vertritt wie Sie selber, dann dürfen Sie davon ausgehen, dass es sich bei diesem Gott auch um Sie selber handelt.

Als Abhilfe kannst du – möglicherweise – zur Begründung deiner Meinung in der Bibel nachsehen. Die haben wir schließlich nicht selber geschrieben! Auch Luther hat diesen Weg gewählt. Aber er war überrascht, dass seine Widersacher auch mit der Bibel argumentiert haben. Er folgerte, dass diese eben die Bibel falsch verstehen. Luther fand seinen Schlüssel zum Verstehen: „Was Christum treibet“ – also was Jesus entspricht, das sei die richtige Auslegung.

Bei einem bestimmten Thema also die Frage zu stellen: Was würde Jesus dazu sagen? In gewissen Grenzen ist das hilfreich. Denn wir können vieles mit den Bildern von Jesus in Übereinstimmung bringen, aber doch längst nicht alles. Die Bandbreite bleibt freilich groß. Jesus fordert, auch die andere Wange hinzuhalten. Aber er dreht auch aus Stricken eine Peitsche und treibt die Händler aus dem Tempel. Zum Beispiel.

Das Argumentieren mit Bibelversen ist heikel. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass jemand seine Meinung ändert, weil ein Schriftvers dagegensteht. Immer kannst du letztlich allein für dich selber sprechen – aber argumentieren können wir nur, wenn wir auf einer gemeinsamen Basis stehen. So taugt die Bibel nicht als Knüppel in der Meinungsbildung. Aber ihre Lektüre kann uns Einsichten vermitteln, auf Gedanken bringen, zu Entschlüssen inspirieren, und sie kann trösten. Das ist sehr viel.