"...nicht sehen, und doch glauben"
© Stefanie Rasmussen-Brodersen
von Pastor Volker Landa
Früher konnte ich besser sehen – schärfer jedenfalls. Und das gilt nicht nur für meine Augen. Früher war in meinem Leben vieles klarer, eindeutiger: Als Jugendlicher hatte ich felsenfeste Überzeugungen. Was wahr und falsch, gut und böse, wichtig und nebensächlich ist, das schien damals glasklar. Das ist anders geworden. Im Laufe der Jahre ist mir vieles unsicher oder fraglich geworden – gerade auch in Glaubensfragen, trotz Studium und Beruf. Gewissheiten sind mir abhandengekommen. Darum kann ich heute nur zögerlich und in offenen Fragen von Gott und vom Glauben sprechen. Natürlich kenne ich den uralten Wunsch, dass Gott sich zeigt und deutlicher sichtbar, spürbar, begreiflich wird; und dass der Glaube Klarheit vermitteln und Antworten auf Lebensfragen geben kann. Aber ich weiß doch auch von der Gefahr, die ein allzu einsichtiges, eindeutiges und einfaches Gottes- und Weltbild in sich trägt. „Selig sind, die nicht sehen – und doch glauben“ – sagt Jesus zu Thomas, dem Zweifler (Johannes-Ev. 20, 29). Uns ist zugemutet, das Nicht-Sehen auszuhalten, ohne das elementare Vertrauen ins Leben zu verlieren – in religiöser Sprache: ohne glaubenslos zu werden. Und könnte es sein, dass am Ende gerade unser Unwissen, unsere Zweifel und Fragen uns mehr miteinander - und mit Gott - verbinden als all das, was wir voller Gewissheit zu erkennen und zu sehen meinen?