Schneckentempo
© Anna Leste-Matzen
von Pröpstin Almut Witt
Auf meinem Schreibtisch steht eine kleine Holzfigur, eine Schnecke. In einem Spielzeuggeschäft kam ich einfach nicht an ihr vorbei. Sie musste mit. Eigentlich passt sie so gar nicht zu mir. Langsam ist nicht meine Welt. Still sitzen und nichts tun, kann ich nur mit einem guten Buch aushalten.
Ich bin gerne in Gange, und mir machen viele Termine nichts aus. Gerade deshalb steht die kleine Schnecke auf meinem Schreibtisch. Sie erinnert mich an die andere Seite, die mir so schwer fällt. Und die doch wichtig ist.
„Durch Stillesein und Vertrauen würdet ihr stark sein.“, so prophezeit es der Prophet Jesaja. Worte aus alter Zeit und immer noch wahr.
Das ist eine Ermahnung: Nicht Aktionismus, sondern Ruhe ist das Gebot der Stunde. Wenn etwas geschieht, das unser Leben durcheinander bringt, verfallen wir meist in hektische Betriebsamkeit. Das kenne ich von mir gut. Denn dann spüre ich die Ohnmacht nicht. Dann ist das Schwere besser auszuhalten.
Doch oft ist es gar nicht verkehrt, erst einmal Ruhe einkehren zu lassen. Durchzuatmen. Die nächsten Schritte zu bedenken und dann erst loszugehen.
Die Schnecke, so langsam sie auch ist, kommt doch an ihr Ziel.
Ja, ich höre schon den Protest: immer Schnecke sein geht auch nicht. Das ist sicher richtig. Aber ab und zu tut es gut und ist es wichtig. Daran erinnert mich meine kleine Holzschnecke auf meinem Schreibtisch.