Tag ohne Arbeit

Gott hatte eine knappe Woche geschuftet. Er hatte die Wälder wieder aufgeforstet, unzählige junge Dorsche zur Bestandssicherung in die Ostsee gesetzt, hatte neue Sterne ans Himmelszelt geheftet, damit sich niemand mehr im Labyrinth des Lebens verirrte, hatte Pusteblumen gesät und Kinderaugen zum Leuchten gebracht.

Nun macht er Pause. Er legt die Füße aufs Balkongeländer seines Südbalkons. In der Hand einen Cappuccino und auf den Knien seinen neuesten Lieblingskrimi. Er lässt die Seele baumeln, denkt nicht an morgen und erst recht nicht an übermorgen.

Auch Gott braucht eine Pause - das ist offensichtlich. Aber er bleibt nicht allein. Zu ihm gesellen sich die mutlos gewordene Nachrichtensprecherin vom Nachbarbalkon, die erschöpften Eltern mit ihren drei Kindern von untendrunter, der rastlose Rentner mit dem einzigen Garten des Hauses aus dem Erdgeschoss, die Mühseligen und Beladenen, Ausgebrannten und Verzagten.

Wir sitzen zusammen auf mitgebrachten Küchenstühlen. Jemand gibt eine Runde aus. Gott sagt: Heute habt ihr frei. Legt die Füße hoch. Esst ein Eis. Schaut in den Himmel.