Tanzen in Zeiten wie diesen

Pastorin Natascha Hilterscheid

© Stefanie Rasmussen-Brodersen

von Pastorin Natascha Hilterscheid, Arbeitsbereich Frauen


Frauen. Leben. Freiheit. Diese drei Worte bewegen seit dem Tod von Mahsa Amini Frauen in Iran, Frauen in Europa. Freiheit leben. Wie schön wär´ das?

Seit dem Tod von Mahsa Amini sehe ich in den sozialen Medien immer wieder Videos von Frauen in Iran, die auf der Straße tanzen. Sie tanzen mit ihren Kopftüchern in der Hand und lassen ihre Haare im Wind wehen. Im Hintergrund rufen Menschen „azadi“ – Freiheit. Ein Bild voller Schönheit, voller Hoffnung!
Aber ist es nicht unangemessen angesichts der Unterdrückung zu tanzen? - Nein! Denn dieser Tanz steht nicht im Widerspruch zum Leid. Im Gegenteil. In Iran dürfen Frauen nicht öffentlich tanzen. Sie dürfen auch nicht singen. Und auch nicht ihre Kopftücher abnehmen. Die Sittenpolizei wacht streng über das Verhalten von allen, die sich Freiheit wünschen. Und im Zweifel wird tot-geschlagen, wer nicht spurt. Die Frauen tanzen für die Freiheit von Mädchen und Frauen wie Mahsa.
Ich finde es inspirierend, Tanzen nicht allein als Zeichen von Fröhlichkeit in guten Zeiten zu verstehen. Tanzen kann auch Ausdruck des Widerstands angesichts von Angst und Leid sein. Erstrecht wenn das Tanzen per se verboten ist, aber auch unabhängig davon. Die tänzerischen Bewegungen widersetzen sich einer möglichen Ohnmacht. So verstehe ich dann den Psalm 30,12 „Du hast meine Klage in Tanzen verwandelt“. Der Grund der Klage ist nicht verschwunden, aber eine Erstarrung wird verhindert - Gott* sei Dank!