Volkstrauertag

Pastorin Uta Jacobs

von Pastorin Uta Jacobs, Ev.-Luth. Matthias-Claudius-Kirchengemeinde Kiel


„Was fällt euch zum Volkstrauertag ein?“, frage ich in die Runde der 20-Jährigen. Alle schauen mich ratlos an, und fragen zurück: „Wofür gibt es diesen Gedenktag überhaupt?“

Ich staune, wie sich die Zeiten geändert haben. In meinen beruflichen Anfangsjahren war der Anlass für diesen Gedenktag, an Opfer von Gewalt und Krieg zu erinnern, noch in jeder Generation präsent. Die Älteren hatten den 2. Weltkrieg miterlebt, die Jüngeren hörten durch die Erzählungen der Eltern und Großeltern davon. Die Toten der Kriege wurden betrauert, verbunden damit der Vorsatz: Nie wieder Krieg in Deutschland!

Und nun, 30 Jahre später, weiß ein Teil der Jugend nicht, warum es den Volkstrauertag gibt. Gleichzeitig brach Anfang dieses Jahres ein neuer Krieg in Europa aus und Deutschland steht vor der Frage, wie die Opfer des Angriffskrieges unterstützt werden sollten.

Zusätzlich zum Gedenken der Toten aller Kriege könnte der Volkstrauertag eine Chance sein, jung und alt ins Gespräch zu bringen über Fragen, auf die es nicht leicht ist, Antworten zu finden:

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wenn man diesen Artikel unseres Grundgesetzes ernst nimmt, kann man dann überhaupt zur Waffe greifen?

Jesus sagte: „Selig sind die Friedfertigen!“ (Mt 5,9). Eine Herausforderung dieser Satz, besonders, wenn gleichzeitig ein militärischer Angriff nur durch Gegengewalt zu stoppen scheint?

Volkstrauertag: Eine Gelegenheit, den Blick in die Vergangenheit zu werfen und gleichzeitig durch Gespräche zwischen den Generationen an zukünftiger Friedensgestaltung mitzuwirken.