Jessica Schlottke, Almut Witt, Anna Benkiser-Eklund
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Jessica Schlottke, Almut Witt und Anna Benkiser-Eklund (v. l.)

Zeugen gesucht

In den 90er Jahren kam es zu sexuellen Übergriffe in Pries-Friedrichsort (Kiel)

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Bei den christlichen Pfadfindern im Kieler Stadtteil Pries-Friedrichsort soll es in den 1990er Jahren zu mehreren Fällen von sexualisierter Gewalt an Minderjährigen durch einen Jugendmitarbeiter gekommen sein. „Wir wissen, dass junge Menschen damals Hilfe gesucht haben und der Mitarbeiter daraufhin die Kirchengemeinde verlassen musste“, sagt Pröpstin Almut Witt vom Ev.-Luth. Kirchenkreis Altholstein.

Durch Recherchen der Kieler Nachrichten hat Kiels leitende Geistliche jüngst von den Vorwürfen erfahren. „Wir konnten bisher rekonstruieren, dass sich der Beschuldigte seit 1985 in unserer Jugendarbeit engagiert hat, zunächst als Honorarkraft in der Kirchengemeinde und später als festangestellter Jugendwart beim damaligen Kirchenkreis Kiel.“ Er habe die konkreten Übergriffe seinerzeit nicht bestritten, woraufhin sein Arbeitsverhältnis zum 30. November 1997 aufgelöst wurde. Außerdem soll er als Auflagen erhalten haben, aus dem Stadtteil wegzuziehen und eine Tätertherapie zu machen. „Angeblich auf Wunsch der Betroffenen ist damals keine Strafanzeige gestellt worden. Wir können heute nicht ausschließen, dass dabei Druck auf die Jugendlichen ausgeübt wurde“, erklärt Witt.

Im Pfadfinderstamm St. Michael in Pries-Friedrichsort machen seit kurzer Zeit verschiedene Gerüchte die Runde. „Es hat eine anonyme E-Mail an leitende Pfadfinderinnen und Pfadfinder gegeben, die sich auf diese Ereignisse in den 90er Jahren bezieht und die schwere Anschuldigungen enthält“, weiß Anna Benkiser-Eklund. Sie ist seit Herbst vergangenen Jahres Pastorin der Kompass-Kirchengemeinde, zu der Pries-Friedrichsort gehört. Was Benkiser-Eklund in diesem Fall in Erfahrung bringen konnte, sei bruchstückhaft. „Der Beschuldigte soll auf einem Freizeitlager Jugendliche in ihrem Schlafsack belästigt und gegen ihren Willen berührt haben. Aber wir müssen damit rechnen, dass auch Dinge passiert sind, die darüber hinausgegangen sind.“ Sich widersprechende Äußerungen gebe es auch bei der Frage, ob der Suizid eines Pfadfinders damals in Verbindung mit sexualisierter Gewalt stand. Beide Positionen seien durchaus glaubwürdig. Die Pastorin kündigt an: „Die Kompass-Kirchengemeinde und der Kirchenkreis Altholstein werden jetzt bei den Strafverfolgungsbehörden Anzeige gegen den Beschuldigten erstatten.“

Licht ins Dunkel bringen wollen Kirchenkreis, Kirchengemeinde und Pfadfinder gemeinsam. „Wir bitten Zeuginnen und Zeugen, sich zu melden, bei unseren fünf Vertrauenspersonen oder bei jeder anderen Anlaufstelle“, sagt Jessica Schlottke. Sie ist Teil des Landesvorstandes des Verbandes Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP), zu dem der Stamm St. Michael gehört. Schlottke verweist darauf, dass der VCP zu Beginn des Jahres zwei unabhängige Forschungsinstitute beauftragt hat, mögliche Fälle von sexualisierter Gewalt und die dafür verantwortlichen Strukturen bundesweit aufzuarbeiten. „Außerdem unterstützen wir die Pfadfinder in Pries-Friedrichsort bei der Aufarbeitung. Wir informieren Eltern und Mitglieder, und wir wollen an einem Abend allen die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen“, kündigt die Vorsitzende an.

An erster Stelle stehen jedoch die möglichen Betroffenen. „Wir wollen ihnen zuhören, wir nehmen sie ernst und wir möchten ihnen helfen. Und selbstverständlich sichern wir allen Betroffenen unsere volle Unterstützung zu“, unterstreicht Pröpstin Witt im Namen von Pfadfindern, Kirchengemeinde und Kirchenkreis.

Zeugen und Betroffene können sich unter anderem an diese Kontakte wenden:

Meldestelle des Ev.-Kirchenkreises Altholstein, Pastor Lars Palme, 0157 78873527, lars.palme@altholstein.de

UNA - Unabhängige Ansprechstelle bei sexualisierter Gewalt in der Nordkirche, 0800 0 22 00 99, una@wendepunkt-ev.de

Vertrauenspersonen des VCP Schleswig-Holstein unter www.vcp.sh

Präventionsbeauftragte des VCP, Louisa Kreuzheck, louisa.kreuzheck@vcp.de

Im Rahmen der wissenschaftlichen Aufarbeitung im VCP: Institut für Praxisforschung und Projektberatung, 089 546 59 77 0, aufruf-vcp@ipp-muenchen.de

Jürgen Schindler,