Pippi

Pastorin Regina Nitz

© Jürgen Schindler

von Pastorin Regina Nitz


„Macht ist die Hölle auf Erden“. Das sagt Astrid Lindgren 1982 in einer Zeitschrift. Ein extrem knapper Satz, der sofort zum Widerspruch reizt oder dazu, ihn zu ergänzen: Bei meinem WG-Kollegen der Studienzeit hing an seiner Zimmertür das Zitat von J.P. Sartre auf Englisch: „Hell are other people“, weshalb ich immer so wenig wie möglich bei ihm klopfte.

In ihren Kinderbüchern, die so leicht daherkommen, verpackt Astrid Lindgren  bedenkenswerte Botschaften. Pippi Langstrumpf ist das stärkste Kind der Welt – aber sie übt keine Macht über andere aus. Pippi nutzt ihre Macht nur, wenn man sie ins Kinderheim sperren will: Dann verjagt sie Polizisten oder schreckt die alten Tanten ab. Sie ist großzügig und lässt die anderen an ihrem Reichtum teilhaben: Eines Abends hängt sie die Bäume in ihrem Garten voller Süßigkeiten und lädt alle Kinder ein….

Und in Lindgrens Buch „Ronja Räubertochter“ geben Ronjas Eltern ihre Tochter wirklich frei. Sie lassen sie in die Bärenhöhle ziehen, auch wenn sie die Macht hätten, sie zurückzuhalten und obwohl sie wissen, dass sie unter der Trennung leiden werden.

Macht ist die Hölle auf Erden, sagt Astrid Lindgren.

Wie nutze ich denn meine Macht gegenüber meinen Kindern? Und: Wie nutzen die Regierungen ihre Macht? Und, um ein ganz großes Fass aufzumachen: Was bedeutet die sog. „Allmacht Gottes“? Sie bedeutet wohl kaum, dass Gott alles macht, alles bewirkt, was geschieht. Vielleicht nutzt Gott seine Macht so wie Pippi: Er verzichtet grundsätzlich darauf, über uns zu bestimmen. Eher hängt er die Bäume voller Süßigkeiten, lädt uns ein und entlässt uns dann in die Freiheit: In die Freiheit, unsere Macht verantwortungsvoll zu nutzen.