Mit Gebärden beten
Susanne Jordan ist Gehörlosenseelsorgerin in Altholstein
Übersicht aller NachrichtenKerzen brennen beim Gottesdienst in der Kieler Ansgarkirche. Doch keine Orgel erklingt zu Beginn. Susanne Jordan stimmt ein Lied an. Nichts ist zu hören. Die Besucherinnen und Besucher singen mit Gebärden. Seit nunmehr einem Jahr ist Diakonin Susanne Jordan die „neue“ Gehörlosenseelsorgerin im Ev.-Luth. Kirchenkreis Altholstein, und wer an ihren Gottesdiensten teilnimmt, ist in der Regel taub oder extrem schwerhörig.
Einmal im Monat feiert sie sonntags mit ihrer Gemeinde in der Kirche an der Holtenauer Straße. Natürlich predigt sie auch, wobei die Vorbreitung sprachlich noch immer einer Herausforderung für Susanne Jordan ist. „Zuerst schreibe ich mir alles ganz normal auf. Aber dann muss ich den Text in die Grammatik der Gebärdensprache übersetzen und oft auch Vokabeln nachschlagen“, sagt die Seelsorgerin. Denn die Diakonin selbst ist nicht taub, die Sprache der Gehörlosen hat sie erst mit Dienstantritt gelernt. „Da hatte ich dann einen 8-Wochen-Sprachkurs und einen Personal-Gebärdentrainer. Hinterher konnte ich vielleicht soviel, wie nach einem VHS-Grundkurs Spanisch für Urlauber“, erinnert sich die Diakonin.
Zu den Besuchern ihrer Gottesdienste in Kiel zählen Andrea Altfelde und ihr Mann Manfred. „Ich bin in der Schule für Gehörlose in Schleswig konfirmiert worden und habe dabei intensiveren Kontakt zum Glauben bekommen“, erklärt sie. „Danach haben mein Mann und ich kirchlich geheiratet. Und wir haben auch unsere beiden Söhne taufen lassen.“ Zwischen 15 und 20 gehörlose Menschen nehmen regelmäßig am Gottesdienst in Kiel teil, und alle sitzen wie Andrea und Manfred Altfelde in den ersten beiden Reihen. Die Lautsprecheranlage der Ansgarkirche ist nutzlos, es geht schließlich darum, dass man die Gebärden gut sieht. „Ich mag vor allem die warme Atmosphäre im Gottesdienst und hinterher“, sagt Andrea Altfelde. Und mit „hinterher“ meint sie, dass alle im Anschluss im Gemeindehaus nebenan noch beim Kaffee zusammensitzen. „Ich backe gerne einen Kuchen und bringe ihn mit. Obstkuchen oder auch mal einen Zitronenkuchen“, zeigt Simone Andresen in der Gebärdensprache. Die Kielerin ist seit Jahren beim Gottesdienst dabei, auch schon beim Vorgänger von Susanne Jordan, und sie steht noch im Berufsleben. Andresen zählt noch zu den jüngeren ider Kieler Gehörlosengemeinde.
Gottesdienst feiert die Gehörlosenseelsorgerin Susanne Jordan ebenfalls regelmäßig in Neumünster, in Rendsburg und in Heide: „Ich habe auch schon einige Trauerfeiern fgehalten und für das nächste Jahr möchte ein gehörloses Paar, dass ich es kirchlich traue.“
Auf den ersten Blick unterscheiden sich ihre Aufgaben nicht sonderlich von denen einer Seelsorgerin für Hörende. Auch Susanne Jordan führt persönliche, vertrauensvolle Gespräche. „Aber es ist spannend, wie wir es immer wieder schaffen, uns zu verständigen. Zu mir kommen auch Menschen, die erst im Alter ertaubt sind und keine Gebärdensprache gelernt haben. Da geht manches dann mit Block und Stift oder mit dem Tablet.“ Schön sind für die Diakonin dann die Momente, in denen sie die Rückmeldung bekommt: „Es ist schön, dass du da bist. Du siehst, du hörst mir zu.“
Jürgen Schindler,