© IqbalAkntar_Adobestock.com
weiße Taube mit Ölzweig

Mund aufmachen

Erklärung der Synode zu Israel und Gaza

Übersicht aller Nachrichten

Erklärung der Synode des Ev.-Luth. Kirchenkreises Altholstein zur Gewalt in Nahost und zum erstarkenden Antisemitismus bei uns

Heute ist die Synode unseres Kirchenkreises zusammengetreten: Sechs Wochen nach dem brutalen Überfall der Hamas auf wehrlose Menschen in Israel. Eine Woche nach dem 9. November, an welchem wir der schrecklichen Novemberpogrome in Deutschland vor 85 Jahren gedenken.

Man sagt, Geschichte kann sich nicht wiederholen. Und doch erinnern uns die entsetzlichen Nachrichten vom 7. Oktober, die Bilder von blutverschmierten Kinderbetten in israelischen Kibbuzim, die stammelnden Berichte jüdischer Menschen, die den Überfällen der Hamas entron-nen sind, deren panische Angst um ihre verschleppten Angehörigen und Freunde – erinnert uns all das auf fatale Weise an die dunkelsten Zeiten in unserem Land, für die auch der 9. November 1938 steht.

Man sagt, Geschichte kann sich nicht wiederholen. Und so glaubten wir lange, dass Judenhass in Deutschland der Vergangenheit angehören würde. Dass dies nur die Verblendung ewig Gestriger und weniger radikalisierter Gruppen sei. Doch mit Fassungslosigkeit müssen wir erkennen, dass Judenhass und Antisemitismus in Deutschland mitten in unserer Gesellschaft sehr gegenwärtig ist. Mit verbaler und auch mit physischer Gewalt auf den Straßen in den Städten auch hier bei uns.

Vor 85 Jahren haben unsere Väter und Mütter angesichts all dessen in Deutschland weggeschaut, nach Rechtfertigungen gesucht oder sogar offen applaudiert – auch in unseren christlichen Gemeinden. Wir aber wollen heute nicht schweigen angesichts des größten Pogroms gegen jüdische Menschen seit der Shoa. Diesmal in dem Land, in dem sie sich endlich sicher glaubten. Und wir wollen nicht wegschauen und nicht weghören, wenn jüdische Menschen heute und hier in Deutschland um Ihre Angehörigen in Israel bangen. Wenn sie sich heute und hier in Deutschland wieder voller Angst verstecken, sich nicht auf die Straße trauen aus Angst vor antisemitischer Beleidigung und Gewalt. Wir wollen uns nicht gleichgültig abwenden, wenn unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Nachbarn sich heute und hier in Deutschland nicht mehr sicher und selbstverständlich zugehörig fühlen.

Wir wollen den Mund aufmachen: Für die traumatisierten, verletzten jüdischen Menschen in Israel. Für die Verschleppten in den Tunneln der Hamas. Und nicht zuletzt für unsere Nachbarinnen und Nachbarn jüdischer Religion oder Kultur – hier und jetzt bei uns. Wir wollen den Mund aufmachen und sagen „Nein!“ zu jeder Form von Antijudaismus und Antisemitismus – hier bei uns und wo auch immer. Und wir sagen „Ja“, wenn unsere jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn gerade in diesen Tagen uns an ihrer Seite brauchen. Unser Ohr brauchen, unsere Stimme für sie. Und wenn gewollt auch unsere helfende Hand. Wir sagen deutlich: Ihr gehört zu uns! Und als Christinnen und Christen sagen wir unmissverständlich: Ihr seid mit uns Kinder des einen Gottes und unsere guten Verwandten, verbunden mit uns in unseren biblischen Traditionen.

Und zugleich klagen und beten wir für alle Menschen, die in dem nun entfesselten Krieg in Israel und Gaza Leid tragen. Klagen und beten für jüdische und arabische Menschen, für Männer, Frauen und Kinder, die nun durch Bomben, Raketen und alle Gewalttaten zu Schaden kommen. Die angstvoll in Kellern, Krankenhäusern und unter Trümmern Schutz suchen und keine Hilfe finden. Wir klagen und beten für alle und gerade auch für die Menschen in Gaza, die jetzt ohne medizinische Hilfe, ohne Nahrung, die ohne Ausweg sind in der Falle dieses kleinen Streifen Landes.

Wir sagen deutlich: Hamas ist keine Befreiungsbewegung – sondern eine Terrororganisation. Und die Menschen in Gaza sind teilweise auch Opfer von Hamas.

Mit vielen sehnen wir uns nach Frieden, mit Arabern und Israelis, mit Jüdinnen und Muslimen hier bei uns und in aller Welt. Wir sehnen uns danach, dass die Waffen schweigen. Und wir wagen es immer noch zu hoffen: Dass es am Ende einen gerechten Frieden geben kann für Israel und Palästina.

„Unsere Herzen sind zerbrochen.“ So schreiben uns jüdische und palästinensische Eltern, die Kinder in diesem unseligen Konflikt verloren haben. Und die sich – kaum zu glauben – trotzdem über alle Grenzen hinweg gemeinsam für Frieden engagieren. Sie schreiben: Wir haben zu viel Blutvergießen und Schmerz erlitten, zu viele Tränen geweint.“ Und weiter: „Dies ist ein Moment für alle daran beteiligten Seiten, über die Sinnlosigkeit des anhaltenden Konflikts nachzudenken und die gemeinsame Menschlichkeit zu erkennen, die uns alle verbindet.“ So hören wir von diesen Friedensstifterinnen und -stiftern mitten in der Hölle des Krieges. Ihr Wort ist uns ein Zeichen der Hoffnung. Und mit ihnen wollen wir gemeinsam für ein gutes menschliches Leben für Israel und Palästina eintreten.

Neumünster/Kiel, den 17.11.2023 Propst Stefan Block und Pröpstin Almut Witt im Namen der Synode Altholstein

,