Volker Landa und Almut Witt
© Jürgen Schindler
Feiern am Volkstrauertag Andacht am Gedenkstein: Pastor Volker Landa und Pröpstin Almut Witt

Namen statt Zahlen

Erinnerung für 16 Opfer von Gewalt in Kieler Zwangsarbeitslager

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Ein Gedenkstein erinnert jetzt auf dem Friedhof im Kieler Stadtteil Pries an 16 Menschen die im ehemaligen Zwangsarbeiterlager „An der Schanze“ während des Zweiten Weltkriegs ums Leben gekommen sind. Darunter sind elf Kleinkinder von russischen Zwangsarbeiterinnen.

Dass die Namen der Verstorbenen ans Licht gekommen sind, ist eher dem Zufall geschuldet. Pastor Volker Landa hat zu einem Jubiläum der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Pries-Friedrichsort im Archiv recherchiert und stieß dabei auf 16 Zahlungsbelege. „Die Deutschen Werke haben dem Friedhof zwischen 1943 und 1945 Geld für Bestattungen zukommen lassen. Jeder Beleg enthielt einen Namen, das Geburts- und Sterbedatum“, berichtet Landa. Der Rüstungsbetrieb der Deutschen Werke AG stellte damals in Friedrichsort unter anderem Torpedos her. Schnell war klar, dass es sich bei den Toten um Insassen des „Ostarbeiterlagers An der Schanze“ gehandelt haben musste. Landa konnte die Namen Männer, Frauen und Kleinkindern aus Belgien, Holland, Frankreich, Polen und der ehemaligen Sowjetunion zuordnen.

„Nicht nur in der Ferne gibt es Opfer von Terrorismus und Gewalt, auch hier unter uns hat es sie gegeben, und man muss dafür nicht weit in die Vergangenheit blicken“, stellt der Pastor fest. Es sei ihm wichtig, dass es sich bei den Toten nicht um „pure Zahlen“ handele, sondern um konkrete Personen.

Der neue Gedenkstein steht auf dem Prieser Friedhof direkt neben der bereits 1953 errichteten Mal für die deutschen Opfer des Bombenangriffs im Juli 1944. An dieser Stelle gibt am Volkstrauertag, 19. November, eine Andacht nach dem 10-Uhr-Gottesdienst an der auch Pröpstin Almut Witt teilnimmt. „Pastor Landa hat eine Gabe, Geschichte sichtbar und begreifbar zu machen. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er sich für diese Erinnerung an die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter stark macht. Sie sind ein Sinnbild für die vielen Menschen, die gewaltsam im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen sind“, sagt die leitende Geistliche des Ev.-Luth. Kirchenkreises Altholstein, dem Träger des Friedhofs.

Im „Ostarbeiterlager An der Schanze“ waren zwischen 1942 und 1945 mehr als 600 Menschen untergebracht. Sie leisteten Zwangsarbeit für die Deutsche Werke AG und die Kompressorenfabrik Wilhelm Poppe AG im heutigen Kieler Stadtteil Pries-Friedrichsort. Forschungen belegen, dass es in Pries während des Zweiten Weltkriegs mehrere solcher Lager gegeben hat.

Jürgen Schindler,