Zerstörte Nikolaikirche Kiel 1948 oder 1949
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Zerstörte Nikolaikirche Kiel 1948 oder 1949

Versöhnung feiern

Ein Festgottesdienst zu 75 Jahren Übergabe des Nagelkreuzes aus Coventry nach Kiel.

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Wie kann Versöhnung von Kriegsgegnern gelingen? Die Erinnerung an erste Schritte zwischen Kiel und Coventry vor 75 Jahren feiert die Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Nikolai in einem Gottesdienst am dritten Advent (Sonntag, 11.12.) um 10 Uhr.

Ende des Jahres 1947 hatte eine Delegation der britischen Stadt Kiel besucht und legte den Grundstein für die erste Städtefreundschaft zwischen den Nationen. In der Kirche am Alten Markt hängt heute noch ein geschenktes Nagelkreuz als Symbol für die Annäherung so kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Mehr dazu erfahren Besucher in einem kurzen Vortrag im Anschluss an den Festgottesdienst.

Die Predigt halten wird ein ganz besonderer Gast: Aus Coventry reist Dean Reverend John Witcombe zum Jubiläum an. Die Kieler Pröpstin Almut Witt freut sich auf den Besuch, vor vier Jahren ist sie selbst in der Gemeinde Coventry zu Gast gewesen: „Das war für mich eine sehr eindrückliche Begegnung. Wir wurden als Deutsche mit offenen Armen empfangen. Und es wurde für alle gebetet, ob ehemalige Feinde oder Freunde.“

Der Kieler Stadtpräsident Hans-Werner Tovar hat die Kieler Partnerstadt ebenfalls schon besucht und wird in der Nikolaikirche ein Grußwort zum Jubiläum sprechen: „Vor 75 Jahren war erstmals eine Delegation aus Coventry zu Besuch in Kiel“, erinnert er. „Seit dieser Zeit steht die Verbindung zwischen Kiel und Coventry für gegenseitiges Verständnis und für eine Verbundenheit und Freundschaft über Länder- und Sprachgrenzen hinweg.“

Im Anschluss an den Festgottesdienst wird Dr. Timo Erlenbusch einen ca. 20-minütigen Überblick zur Geschichte zwischen den zwei Städten geben. Der Historiker des Stadtarchivs Kiel betont, wie nahe der Versöhnungsgedanke aus Coventry ist: „Leider ist das Thema ja ständig aktuell. Wieder haben wir Krieg in Europa und wieder tut sich die Frage auf, wie wir irgendwann wieder miteinander leben können. Man sollte sich ein Beispiel nehmen.“

 

Zur Geschichte:
1940 hatte ein deutscher Bombenangriff während des Zweiten Weltkrieges die britische Industriestadt Coventry großflächig zerstört, auch die Kathedrale St. Michael´s. Der damalige Dompropst Richard Howard rief noch zu Kriegszeiten auf, über Versöhnung nachzudenken und ließ aus drei großen Dachstuhlnägeln der zerstörten Kirche ein Kreuz zusammensetzen. Dieses Nagelkreuz und seine Nachbildungen gelten heute als Zeichen für Frieden und Versöhnung.

Der Kontakt nach Kiel kam durch einen britischen Offizier zustande, der hier nach Kriegsende für die Aufräumarbeiten verantwortlich war. Er kam gebürtig aus Coventry und leitete einen Brief des Kieler Bürgermeister Andreas Gayk an dessen Amtskollegen George Briggs weiter, ein Briefwechsel entstand. Briggs reiste schließlich 1947 mit dem Geistlichen Howard nach Kiel. Sie überreichten dort das erste Coventry Nagelkreuz an eine Gemeinde des ehemaligen Kriegsgegners, welches in der ebenfalls zerbombten und später wiederaufgebauten St. Nikolaikirche seinen Platz fand. Um den Gedanken der Versöhnung der beiden im Krieg so zerstörten Städte herum bildeten sich weitere Kontakte, die 1967 in einer offiziellen Städtepartnerschaft zwischen Kiel und Coventry mündeten.

Die Kathedrale von Coventry übergibt noch heute Nagelkreuze, zum Beispiel, um Kirchengemeinden in ihrer Arbeit für den Frieden zu unterstützen. Ab Ende der 1950er Jahre bildete sich eine internationale „Nagelkreuzgesellschaft“, deren weltweit 160 ökumenisch Mitgliedergemeinschaften regelmäßig ein Versöhnungsgebet beten.

Stefanie Rasmussen-Brodersen,